Dienstag, 23. April 2024, 19:30 Uhr
Vortrag und Gespräch mit dem Zeichner Gottfried Müller
„Abgründige Archive & Vorläufige Höhepunkte der Baukunst“: Projekte der „Agentur für Forschung und Abenteuer“
Gespräch: Florian L. Arnold
Mit Buchverkauf.
Auf den ersten Blick kommt einem alles bekannt vor, vertraut, allzu gewohnt. Da gibt es filigrane Aquarelle zu sehen, handschriftliche Texte, museale Inszenierungen.
Doch der Schein trügt.
Sobald man sich auf Gottfried Müllers Texte und Bildgeschichten einlässt, wird offenbar, dass der Künstler ein Spiel mit dem Betrachter spielt. Hier ist nichts echt und erzeugt doch mit profunder Spiellaune und hoher künstlerischer Fertigkeit hinreissende Illusionen. In seinem Buch „Vorläufige Höhepunkte der Baukunst“ (2020) etwa versammelt der bei Ingolstadt lebende Zeichner „unbekannte Entwürfe“ von Mies van der Rohe, Frank Lloyd Wright und Le Corbusier sowie „Interviews mit den Bewohnern missratener Häuser“.
In „Abgründige Archive“ (2023) werden „Dokumente“ unterschiedlichster Art präsentiert: „Unbekannte Manuskripte“, „Verschollene Briefmarken“ und „Vergessene Pläne“. Die 27 angeblich historischen Fundstücke sind thematisch weit gefasst: Von einer Briefmarke der Jungsteinzeit über den Kuhstall des Klosters Einsiedeln bis zu einer fashionablen Hutkollektion von 1903 reichen die irrlichternden Ausflüge in eine phantastische Vergangenheit, die nicht völlig unmöglich, jedoch zuverlässig tragikomisch erscheint.
All die vermeintlich altertümlichen „Dokumente“ sind virtuos gefälscht in Müllers fiktiver „Agentur für Forschung und Abenteuer“; der immense Aufwand, den der Künstler betreibt, all die stilistische Vielfalt, die er traumwandlerisch sicher einsetzt, will nur eines: Den Betrachter dazu verführen, sich auf den Dialog mit dem Gezeigten einzulassen.
Gerne lassen wir uns am 23. April in einem Vortrag hineinziehen in Gottfried Müllers Kosmos, denn zum einen amüsieren die Miniaturwelten durch einen erfrischenden Humor, der mit unbekümmerter Respektlosigkeit und subversiver Kraft alle Gewissheiten ins Wanken bringt. Zum anderen lässt der Künstler viel Raum für die Phantasie des Betrachters, lädt ein, die Inszenierungen mit eigenen Vorstellungen auszuschmücken. Die Bildgeschichten von Gottfried Müller konfrontieren uns auf verspielte Weise mit der komplexen Frage, die uns alle angeht: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Und was verbirgt sich dahinter, darunter, jenseits davon?
Das können wir durch seine Bücher und seine Bilder, die er uns im Original und als Präsentation mitbringt, intensiv erleben.
In der Süddeutschen Zeitung schrieb Gottfried Knapp am 14.Dezember 2018 u.a.:
Ein schönes Beispiel für seine illusionistische Meisterschaft ist die „Anweisung zur zweckmäßigen Behandlung und Rettung der Scheintodten“, die 1820 in Berlin gedruckt worden sein soll, jedenfalls die schaurigen Anweisungen zur Rettung so gruselig überzeugend simuliert, dass eigentlich die Medizingeschichte umgeschrieben werden müsste. (…) Nicht nur zoologische Schautafeln kann Müller täuschend echt evozieren, auch romantische Landschaftsaquarelle lässt er in einer Perfektion erstehen, dass Gutachter des Kunstmarkts künftig auf der Hut sein müssen!“